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Besser als ein Foto - kreative Verbindung von Fotografie und Kunst
Libelle in der Natur
Libelle als Bild

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Kunst verlangt nach starken Ausdrucksmitteln. Neben Farben und Formen spielen bei der praktischen Umsetzung Hilfsmittel und Werkzeuge aller Art eine grosse Rolle.

Der Erfindungsreichtum des Menschen ist beeindruckend und erscheint bis heute unerschöpflich. Seit der Entwicklung der camera obscura wurde die Grundlagen für die Fotografie gelegt und hat die Kunstentwicklung nachhaltig beeinflusst. 

Die Reaktion der Kunstwelt auf diese neue «Maschine» war heftig und spaltet bis heute in vieler Hinsicht die Kunstwelt. Viele Künstlerinnen und Künstler haben sie dennoch nicht auf diese neuen Möglichkeiten verzichtet. Fotografie und Film sind inzwischen anerkannte Kunstformen geworden. Persönlich hat mich das Medium Fotografie schon während der Ausbildung an der Schule für Gestaltung interessiert. Fotografie und Film haben mich seither immer begleitet, auch wenn ich beruflich stark mit der analogen Welt (Herstellung von Künstlerfarben) verbunden blieb. Wichtig war mich immer die folgende Frage: Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen eines Mediums. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Welt der Pigmente und Bindemittel, die ich während meiner beruflichen Laufbahn vertieft kennenlernen durfte, beschränkte sich zunächst auf die Welt der Farbstifte und Kreiden. Ich war immer überzeugt, dass in diesen einfachen Schulmaterialien auch ein grosses künstlerisches Potential steckt. Während Jahrzehnten wurden die Farbstifte in vieler Hinsicht optimiert. Dies betrifft vor allem die Pigmentierung, Lichtechtheit der Farben und die Abriebeigenschaften der Stifte. Während dieser Zeit hatte ich spannende Einblicke in die Geheimnisse der Farbenherstellung und lernte viele Künstlerinnen und Künstler kennen. Mit Farbstiften entstehen meist aufwändige und ausgefeilte Werke, die mit viel Wissen und Herzblut geschaffen werden. Neben Kunstwerken werden Farbstifte sogar bei der Restaurierung eingesetzt. Ich erfuhr zum Beispiel, dass man mit Prismalo-Farbstiften ein Bild von Leonardo erfolgreich restaurieren konnte. Wer hätte das gedacht!

 

Ich vergesse nie den Moment, als mir ein Rentner beim Besuch im Altersheim stolz seine Zeichenarbeiten vorstellte. Es waren liebevoll gemalte Farbstiftzeichnungen von Kalenderblättern mit Landschaftsfotografien. Beim näheren Betrachten der exakt abgezeichneten Arbeiten stellte ich bei mir eine Irritation fest. Erst auf den zweiten Blick konnte ich das Rätsel klären: an gewissen Stellen der Zeichnungen wurden gewissenhaft auch die fotografischen Unschärfen der Fotos kopiert. Das Ganze wirkte unscheinbar und subtil, dennoch brachte es meine Wahrnehmung durcheinander. Dieses Erlebnis beschäftigt mich bis heute. Zentrale Fragen zur Wahrnehmung und Wiedergabe von Wirklichkeit wurden wieder geweckt, die schon Platon beim «Höhlengleichnis» zum Ausdruck brachte. Was ist Schein und was ist Sein? Was ist Wirklichkeit? Was ist Naturalismus, Realismus und wo beginnt der Kitsch? Antworten zu diesen Fragen fand ich dankbarerweise im Buch «Umgang mit Kunst» von Georg Schmidt. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Künstler Albrecht Dürer war für mich immer eine zentrale Leitfigur. Seine Hinwendung zur exakten Naturbeobachtung brachte eine stille Revolution in die Kunstwelt des ausgehenden Mittelalters. Der Blick des Menschen richtete sich nun nicht mehr allein gen Himmel, sondern auch auf die unmittelbare Umgebung. Selbst unbedeutende Dinge wie ein Stück Grasboden oder Kopfkissen weckten sein Interesse als Maler. Der Fokus auf genaues Abbilden wurde für lange Zeit zum Kunstprogramm des Abendlandes. Faszinierend ist nicht nur seine neue Sichtweise, sondern auch seine Innovation bei den Gestaltungsmitteln (Aquarell, Deckfarben, Drucktechnik usw.). Interessant ist vor allem sein Einsatz von Mischtechniken, um den Naturalismus zu steigern. Sein Bildnis des berühmten Feldhasen ist kein «Copy-and-paste-Bild», sondern ein raffiniertes Werk von Künstlerhand. Mit verschiedenen Mal-und Zeichentechniken und einem perspektivischen Trick beim Betrachten des Bildes in der Hand, hat er vor 500 Jahren ein aussergewöhnliches Werk geschaffen.

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Eine Umsetzung des Naturalismus im Zeitalter der neuen Medien ist eine spannende

Herausforderung geblieben. Die moderne digitale Welt arbeitet hier anders und schafft neue verblüffende Ausdrucksformen. Für mich bleibt die analoge Welt immer noch spannend genug. So versuche ich mit dem Medium Farbstift das Medium Fotografie dort zu ergänzen, wo es an seine Grenzen gerät und Schwächen offenbart.  

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Feldhase von Dürer
camera obscura
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